HADER MUSS HER

20 / 05 / 2018
Josef Hader macht überall eine gute Figur: beim Kabarett genauso wie beim Kaffee. Ein Gespräch über Talente, Ängste und Begeisterung.
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Wenn Hader nicht gerade auf der Bühne Hader spielt, spielt er trotzdem. Zum Beispiel in Fernseh- und Kino-filmen. Zuletzt in der österreichisch-deutschen Produktion „Die Notlüge“ oder in der Tragikomödie „Arthur & Claire“, wo er eine Figur verkörpert, die mit dem Leben abgeschlossen hat. Wieder einmal. Schließlich schrammen auch viele seiner anderen Figuren ziemlich nah am Abgrund vorbei. Ganz eng wird’s bekanntlich für Simon Brenner aus den Wolf-Haas-Verfilmungen.
Warum gerade Hader immer Charaktere spielt, die so sehr mit sich selbst hadern? Weil es niemand sonst schafft, das Scheitern so sympathisch darzustellen. Dabei läuft bei Josef Hader selbst alles ganz super. Egal ob als Kabarettist, Autor, Schauspieler oder Regisseur. Und wenn das nicht er Fall wär, wär’s auch nicht so schlimm. Dann würde man statt Herr Hader wahrscheinlich Herr Lehrer zu ihm sagen.

MARTIN AUER - Für mich ist das eine ganz besondere Woche. Heute treffe ich Sie, Herr Hader, davor habe ich Bob Dylan live gesehen.

JOSEF HADER - Ah, wo war der? In Salzburg?

MARTIN AUER - Er war auch in Salzburg, ich war aber beim Konzert in der Wiener Stadthalle und war total begeistert.

JOSEF HADER - Jetzt hab’ ich ihn schon wieder versäumt … Meistens spiele ich an den Tagen, wo der Dylan auftritt, selber. Ich hab’ mir aber Aufnahmen von ihm angehört und mein Eindruck ist, dass er sich jedes Mal bemüht, was Neues zu machen, um seine Lieder nicht nur so owizunudeln.

MARTIN AUER - Der Dylan macht das seit mehr als 50 Jahren, der hat wahrscheinlich gar keine Alternative, als zu improvisieren. Mit „Hader spielt Hader“ sind Sie ja auch schon seit mehr als 20 Jahren auf der Bühne. 1997 haben Sie es zum ersten Mal gespielt, 2011 dann neu konzipiert. Wie gehen Sie damit um, immer wieder ein ähnliches Programm zu spielen?

JOSEF HADER - Das Programm ist wie ein Organismus, der sich verändert. Und ich habe schon andere Programme dazwischen gespielt. Aber, und das kommt mir komisch vor, wenn ich es so sage, in den letzten zehn Jahren habe ich wirklich nichts Anderes gespielt, weil ich Richtung Film gehen und dort etwas erreichen wollte. Ich hatte dieses Ziel, einen eigenen Film zu machen, das Drehbuch dafür zu schreiben und Regie zu führen. Das ist bei „Wilde Maus“ passiert, deshalb schreibe ich jetzt wieder an einem neuen Kabarettprogramm. Ich hoffe, es gelingt mir. Sonst muss ich bis an mein Lebensende „Hader spielt Hader“ spielen … Das möchte ich aber nicht. (lacht)

MARTIN AUER - Wie war es für Sie eigentlich, „Wilde Maus“ nicht nur zu schreiben, sondern auch darin zu spielen und gleichzeitig Regie zu führen?

JOSEF HADER - Es war an der Grenze zur Überforderung. Und die einzige Waffe, die ich dagegen habe, denn ich bin eigentlich ein sehr ängstlicher Mensch, ist Zweckoptimismus. Ich denk’ mir, das wird sicher schlecht ausgehen und treffe dadurch immer alle möglichen Vorkehrungen – und so geht’s meistens gut aus. Bei „Wilde Maus“ hab’ ich mir gedacht, ich habe nix zu verlieren. Entweder es haut hin, dann war es sinnvoll, dass ich es gemacht habe. Oder nicht, dann war es doppelt sinnvoll, weil sonst hätte ich mir mein ganzes Leben gedacht, hätte ich es probiert. Und mit diesem Gedanken bin ich jeden Tag in der Früh zum Dreh und habe mich auf die nächste Überforderung eingelassen.

MARTIN AUER - … und es ist gut ausgegangen! „Wilde Maus“ war äußerst erfolgreich, mit dem besten Kinostart überhaupt in Österreich. Vor unserem Gespräch habe ich mir nochmal Mitschnitte von Ihren Programmen angeschaut und das Gefühl, die werden vom Publikum nicht immer gleich verstanden. Da gibt es oft sehr unterschiedliche Reaktionen.

JOSEF HADER - So Fernsehmitschnitte sind manchmal verfälschend, weil das eine besondere Situation ist. Live sehe ich selber nicht so viele Unterschiede. Ob ich in München oder Wien spiele, merke ich gar nicht so stark. Wobei in Deutschland schon die Einstellung stärker ist, dass der Kabarettist dem Zuschauer „die Welt erklärt“. Und nicht durch die provokanten Sachen, die er sagt, Menschen zum Nachdenken bringt, was das Richtige ist – das wär’ so die österreichische Methode. Es gibt diese Definition: Im deutschen Kabarett steht ein g’scheiter Mensch auf der Bühne, der sagt, die Regierung ist schlecht und in Österreich steht ein Trottel auf der Bühne, der sagt, die Regierung ist super. Ich sag’ aber zum Beispiel sehr gern Sachen, mit denen ich anecke. Das ist spannend fürs Publikum, weil es überlegen muss: Was will der gerade?

MARTIN AUER - Das ist auch das Schöne an Ihrem Beruf: im posi-tiven Sinne provozieren zu können. Die Leute aufzuwecken, ihnen andere Blickwinkel zu eröffnen, ihnen vielleicht sogar einen Spiegel vorzuhalten. Wenn das Publikum seine eingefahrenen Bahnen verlässt, also gedanklich, das ist super!

JOSEF HADER - So sehe ich das auch. Und Kabarett ist insofern eine gute Form, weil es mit Unterhaltung zu tun hat. Erstens kommen dadurch teilweise andere Leute als zu einem anspruchsvollen Theater-abend, zweitens haben die Leute, die zu einem Theaterabend gehen, schon ihr ganzes geistiges Rüstzeug parat. Die wissen, da kommt was, das muss ich versuchen zu verstehen. Im Kabarett sitzt man sorgloser drinnen und ist deshalb leichter zum Dawischen.

MARTIN AUER - Wie gehen Sie damit um, wenn das einmal nicht klappt oder wenn Sie merken, das Publikum ist gerade nicht so begeistert?

JOSEF HADER - Am Anfang, als junger Kabarettist, wird man immer schneller und hastiger und dann ist es für die Leute noch schwerer, reinzukippen und irgendwann beginnt man, das Publikum zu hassen und dann spielt man so, dass es gar nicht mehr lachen kann … Wenn man älter ist, ist man gelassener und gleichzeitig sportlicher und denkt sich: „Eine interessante Aufgabe heute. Schau ma mal, wie ma sie lösen.“ Es gelingt dann sehr oft, die Leute abzuholen und das sind auch die in-teressanten Vorstellungen. Weil wir vorher über Routine geredet haben: Wenn man so oft hintereinander dasselbe macht, sind solche Auftrit-te eigentlich Geschenke. Ich könnte Kabaretttourneen nicht spielen, wenn sie immer in Wien im selben Theater wären. Das wäre zwar total bequem, weil ich dann immer um 18 Uhr in die „Hockn“ gehen könnte und meine Lebenszeit nicht auf der deutschen Autobahn verschwenden müsste, aber so ist man motivierter und stellt sich neuen Herausforderungen, die man in Wien nicht hätte.

MARTIN AUER - Ist es das, was Sie antreibt? Mir wurde die Frage nämlich vor Kurzem gestellt und dann war ich erst einmal baff und habe spontan was Falsches gesagt. Bei mir, weiß ich seither, ist es so: Ich will etwas Besonderes machen. Nicht in der Quantität, sondern in der Qualität. Ich will in die Tiefe gehen. Was ist es bei Ihnen?

JOSEF HADER - (denkt nach) Ich glaube … Jeder Mensch hat einen Moment im Leben, wo er seinen Platz in der Gesellschaft oder in der Gruppe findet. Das ist oft dann, wenn du zum ersten Mal was richtig gut kannst. Etwas, das zum Beispiel Anerkennung bringt. Ich war immer ganz schlecht im Fußball und ganz schlecht in der Schule. Ich war eigentlich nirgends richtig gut, bis wir in der Schule angefangen haben, Theater zu spielen. Da habe ich etwas besser gekonnt als die anderen und Anerkennung gekriegt. Das treibt mich seither. (lacht)

MARTIN AUER - Nach der Schule haben Sie begonnen, Germanistik und Geschichte auf Lehramt zu studieren. Wäre das etwas, was Sie sich auch vorstellen könnten – Lehrer sein? Würde Ihnen das taugen?

JOSEF HADER - Ich habe immer Lust darauf gehabt. Ich hätte es deshalb nie so schlimm gefunden, wenn das mit dem Kabarett nix geworden wär’. Ich würde einfach, so wie jetzt auch in meinem Beruf, spannenden Frontalunterricht machen und wär’ stolz drauf, wenn ich Ideen hätte, wie man Inhalte so bringt, dass sich die Schüler das leicht merken. Und ich würd’ ständig über Schmähs nachdenken, mit denen ich das schaffe. Das würd mich dann antreiben. So und jetzt frag’ ich noch was: Was ist das beste Brot? Ich hätte gern so etwas wie ein Bauernbrot, gemischt mit Roggen und ein bissi Weizen und wenn’s geht, gewürzt. Welches muss ich kaufen? (lacht)

MARTIN AUER - Da wüsste ich schon was … An einem solchen Brot arbeiten wir nämlich gerade. Ein bisschen müssen Sie sich dafür aber noch gedulden.

JOSEF HADER - Passt. Sie haben ja jetzt meine Nummer.
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